Präsidentschaftswahl in Guatemala entscheidet sich in Stichwahl zwischen Sozialdemokraten
Überraschung bei der Präsidentschaftswahl im von Armut, Korruption und Gewalt geplagten Guatemala: Zwei Sozialdemokraten ziehen in die Stichwahl ein. Die Ex-Präsidentengattin Sandra Torres und Bernardo Arévalo, Sohn eines früheren Präsidenten, lagen nach Auszählung fast aller Stimmen auf den ersten beiden Plätzen, wie das Oberste Wahlgericht des Landes am Montag mitteilte. Die Wahlbeteiligung war gering, fast ein Viertel der Wähler gab einen ungültigen oder einen leeren Stimmzettel ab.
Wie das Wahlgericht nach Auszählung fast aller Stimmen erklärte, kam die frühere First Lady Torres auf rund 15 Prozent der Stimmen. Sie galt schon im Vorfeld als Favoritin, erhielt jedoch deutlich weniger Unterstützung als in Umfragen prognostiziert. Torres legte den Fokus ihres Wahlkampfs auf den Kampf gegen kriminelle Banden. Sie versprach zudem, die Armut durch Nahrungsmittelhilfe- und Ausbildungsprogramme zu bekämpfen.
Der Mitte-Links-Politiker Arévalo, Sohn des ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes, Juan José Arévalo (1945-1951), übertraf die Prognosen hingegen deutlich. Er erhielt im ersten Wahlgang rund zwölf Prozent der Stimmen - in einer Umfrage zuvor hatte er bei knapp drei Prozent gelegen. In seinem Wahlkampf versprach er, das Bildungssystem zu verbessern und die Gewalt und das Elend zu bekämpfen, unter denen 59 Prozent der 17,6 Millionen Bürger des mittelamerikanischen Landes leiden. Sowohl Torres als auch Arévalo sind in dem streng katholischen Land allerdings gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und ein weniger hartes Abtreibungsrecht.
Den Einzug in die Stichwahl verpasste hingegen Zury Ríos, die rechtsgerichtete Tochter des früheren Diktators Efraín Ríos Montt. Sie kam auf knapp sieben Prozent der Stimmen. Einen ähnlichen Wert erreichte auch der Ex-Diplomat und Mitte-Politiker Edmond Mulet.
Viele Bürger standen der Wahl am Sonntag ernüchtert und desillusioniert gegenüber. Insgesamt gingen etwa 57 Prozent der 9,4 Millionen Wahlberechtigten an die Urnen. Mehr als 17 Prozent der Wähler gaben einen ungültigen Stimmzettel ab, rund sieben Prozent der Stimmzettel wurden leer abgegeben. 2019 hatte die Wahlbeteiligung noch bei 61 Prozent gelegen.
Da keiner der insgesamt 22 Kandidaten in der ersten Runde am Sonntag die für einen Sieg erforderliche Mehrheit von mindestens 50 Prozent der Stimmen erhielt, ist nun eine Stichwahl nötig. Die Entscheidung zwischen den beiden Politikern fällt voraussichtlich am 20. August.
Die Wahl am Sonntag wurde im Vorfeld durch den Ausschluss beliebter Kandidaten, ein hartes Vorgehen gegen die Presse und den Vorwurf der Wahlmanipulation beeinträchtigt. Viele Wähler bezweifeln daher, dass nach der Wahl die Probleme in dem Land gelöst werden.
Bislang ist der rechtsgerichtete Alejandro Giammattei Staatschef des Landes. Der als autoritär kritisierte Amtsinhaber, der von rund 75 Prozent der Bürger in dem Land abgelehnt wird, konnte bei der Wahl nicht mehr antreten.
Unter Giammattei wurden mehrere frühere Staatsanwälte der internationalen Kommission gegen Straffreiheit in Guatemala festgenommen oder ins Exil gezwungen. In diesem Monat wurde zudem der Gründer einer regierungskritischen Zeitung wegen Vorwürfen der Geldwäsche zu sechs Jahren Haft verurteilt. Organisationen für Pressefreiheit kritisierten dies scharf.
Menschenrechtsgruppen, Politikwissenschaftler und Indigenenvertreter kritisieren einhellig die zunehmende Kontrolle der Institutionen des Landes durch Interessensgruppen aus der Politik und der Finanzwelt, die demnach die Korruption und Straffreiheit in Guatemala fortbestehen lassen wollen.
Guatemala ist einer der ärmsten Staaten Lateinamerikas und von großer sozialer Ungleichheit geprägt. Mehr als die Hälfte der guatemaltekischen Bevölkerung lebt nach UN-Angaben in Armut. Viele Menschen versuchen daher, über Mexiko in die USA zu gelangen, um dort zu leben und zu arbeiten. Die Mordrate in Guatemala ist laut den Vereinten Nationen etwa drei Mal so hoch wie der weltweite Durchschnitt.
R.Weber--HHA